Die verschneiten Höhen des Schwarzwaldes haben uns abgeschreckt. Wir wollten ja nun nicht durch den Winter, sondern in den Frühling hineinspazieren, und deshalb sind wir vom Europäischen
Fernwanderweg E1 nach Westen abgebogen: Hin zum Kaiserstuhl, einer der wärmsten Ecken Deutschlands, was uns erheblich attraktiver erschien als der raue Feldberg. Drei Tagesetappen durch dichte,
von der Sonne freundliche erleuchtete Fichtenwälder, vorbei an eiskalten Bächen und moosgrün bezogenen Felsen, und dann kamen wir aus dem Wald, hatten eine weiten Blick ins Rheintal und auf die
Vogesen in der Ferne, und unter uns eines dieser Weindörfer mit dem Kirchturm in der Mitte, und drum herum eine vor Frühlingsgefühlen geradezu aufatmende Landschaft von Weinbergen, Feldern,
Wiesen, Hecken, Rainen, Gärten...
Die Harmonie einer alten Kulturlandschaft also. Wie oft haben wir diese Harmonie in Brasilien vermisst: So staunenswert und erhaben die tropische Natur dort ist, wo sie sich halbwegs intakt
erhalten hat, so kaputt wirkt sie dort, wo der Mensch zugeschlagen hat. Die endlosen, vom immergleichen Gras bewachsenen Viehweiden, in denen noch Jahre, Jahrzehnte nach der Rodung die von der
Sonne ausgebleichten Baumstämme herumliegen, deren Holz keinen kommerziellen Wert hat und die deshalb eben einfach liegengelassen werden - das ist ein Anblick, der sich in Amazonien tausendfach
wiederholt und der uns immer als Sinnbild der Naturzerstörung durch Gewinnstreben herhalten musste.
Dabei ist das mit der Harmonie einer alten Kulturlandschaft natürlich höchst trügerisch. Die Flurbereinigung - deren Beweggrund ja nun schließlich auch Gewinnstreben ist - hat die Landschaft
gravierend verändert, die Felder sind überdüngt und vollgepumpt mit allerlei gewinnsteigerndem Giftzeug, das selbst die Bienen überlebensbedrohlich attackiert, und so weiter und so
weiter... Warum kommt es uns dann so harmonisch vor, was sich nun in milder Frühlingspracht vor uns ausbreitet? Idealisieren wir es, weil wir es in Brasilien so lange nicht gehabt haben?
Oder gehen wir einer spezifisch deutschen Naturhuberei auf den Leim? Oder schert sich unser Harmonie-Empfinden einfach nicht um die Realität? Ignoriert es einfach, was es ignorieren will?
Die krisengeschüttelten deutschen Medien stellen es immer wieder neidvoll fest: Das Presse-Erzeugnis mit den gewaltigsten Auflagen-Steigerungen ist das Magazin "Landlust", ein Heft über Garten
und Grünzeug. Da sollte man annehmen, dass deutsche Vorgärten heutzutage Meisterwerke florealer Gestaltung sind, kleine botanische Paradiese also, mit Blumen, Beeten und Sträuchern vom
Üppigsten.
Tatsächlich ist in vielen Vorgärten - vor allem von Häusern, deren Besitzer man sich als Pendler, also als Menschen mit beschränktem Zeitbudget vorstellt - das Gegenteil der Fall. Gestalterisches
Vorbild ist offenbar die Deutsche Bahn, genauer ihre Gleisbetten. Jedenfalls sind, während wir im Ausland waren, Schottersteine ganz groß herausgekommen. Schotter, horizontal aufgeschüttet,
hat nicht nur den Rasen ersetzt, sondern auch die Hecke, die dem in Metallgitterwerk gepackten Schotter weicht.
Es sieht grauenhaft aus. Man darf vermuten, dass diese Mode entstanden ist, weil deutsche Hausbesitzer weder Lust noch Zeit zum Unkrautzupfen hat. Von der Deutschen Bahn weiß man ja, dass sie
ihre Gleiskörper chemisch behandelt, damit dort kein Unkraut wächst.
Völlig verschwunden ist übrigens der Gartenzwerg. Er stand ja schon immer im Ruf der Spießigkeit, aber jetzt haben das offenbar alle mitgekriegt, auch die spießigsten Vorgartenbesitzer
Deutschlands, und das hat ihn zur aussterbenden Art gemacht - nur in der Schweiz haben noch ein paar politisches Asyl gefunden. Dabei ist er ein ausgesprochen liebenswürdiger Geselle, jedenfalls
verglichen mit dem Dekorationskram aus dem Baumarkt, den sich die Leute heutzutage so auf ihre Schotterbeete stellen. Sollten wir, wenn wir nach der Wanderung in Deutschland einen Vorgarten
kriegen, müssen unbedingt Gartenzwerge her. Die sind doch Kult.
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Annelise (Donnerstag, 26 April 2018 08:47)
Auch in einen kleinen "Feldgarten" passen niedliche Gartenzwerge, wie wäre es??
Verena (Donnerstag, 26 April 2018 13:03)
Aguante el Gartenzwerg !
Carmen (Donnerstag, 26 April 2018 20:44)
beim Lesen kommt einem fast die Idee einen Gartenzwerg zum Geburtstag zu schenken.
Scheusslich!
Aber die allerherzlichsten Allerliebsten und Besten Wünsche für das neue Lebensjahr send ich Hiermit.
Langsam kommt Ihr in einen Rhytmus des Wanderns um den ich Euch sehr gerne bewundern möchte. Habts weiterhin schön und spannend.
Lutz (Freitag, 27 April 2018 18:14)
Falls ihr noch am Kaiserstuhl seid, probiert mal die Hex vom Dasenstein, ein leckerer Roter aus dem Weißweinländle Baden
Monika (Sonntag, 29 April 2018 14:16)
"Der verachtete Zwerg,
was wird er geehrt!
Zu dem Hort hin drängt sich
Gott und Held:
Vor meinem Nicken
neigt sich die Welt,
vor meinem Zorne
zittert sie hin! -"